Nein heißt nein. Das ist jetzt Gesetz.

Am 10. November 2016 sind folgende gesetzlichen Neuregelungen in Kraft getreten (§§ 177-179 StGB, §184i StGB):

Ein sexueller Übergriff ist dann strafbar, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird. Es kommt nicht mehr darauf an, ob eine betroffene Person sich gegen den Übergriff gewehrt hat oder warum ihr dies nicht gelungen ist. Alle nicht-einverständlichen sexuellen Handlungen werden unter Strafe gestellt.

Außerdem wird mit der Reform auch die Ungleichbehandlung im Strafrahmen bei Betroffenen mit Behinderung abgeschafft, bisher war ein sexueller Übergriff gegen eine ‚widerstandsunfähige‘ Person mit geringerer Strafe belegt.

Ganz neu eingeführt wird der Straftatbestand der sexuellen Belästigung. Dadurch sind künftig auch Übergriffe strafbar, die bislang als nicht erheblich eingestuft waren.

Das neue Sexualstrafrecht

bedeutet eine erhebliche Verbesserung für den Schutz der sexuellen Selbstbestimmung. Mit diesem Gesetz ist ein sexueller Übergriff schon dann strafbar, wenn er gegen den erkennbaren Willen einer Person ausgeführt wird. Es kommt nicht mehr darauf an, ob eine betroffene Person sich gegen den Übergriff körperlich gewehrt hat oder warum ihr dies nicht gelungen ist. Damit wird endlich auch in Deutschland die Anforderung der Istanbul-Konvention umgesetzt, wonach alle nicht-einverständlichen sexuellen Handlungen unter Strafe zu stellen sind.

Grapschen verboten

Gleichzeitig wird mit dem Gesetz der neue Straftatbestand der sexuellen Belästigung eingeführt. Dadurch sind künftig auch Übergriffe strafbar, die bislang als nicht erheblich eingestuft waren. Im öffentlichen Raum erleben Frauen und Mädchen es immer wieder angefasst, begrapscht und sexuell massiv belästigt zu werden. Es gibt nun die Möglichkeit sofort oder später eine Anzeige zu erstatten. Die Polizei muss diese Anzeigen aufnehmen und weiterverfolgen.

Behinderte Frauen

Mit der Reform wird auch die Ungleichbehandlung im Strafrahmen bei Betroffenen mit Behinderungen abgeschafft. Behinderte Frauen erleben häufiger sexualisierte Übergriffe als nicht behinderte Frauen. Diese Gewalttaten werden häufig von Personen aus dem Nahbereich ausgeübt. Die Täter wähnen sich in Sicherheit, weil die Opfer vielleicht weniger Möglichkeiten haben, Gegenwehr zu leisten und weil ihnen manchmal die Möglichkeiten fehlen, sich anderen mitzuteilen. Bisher fiel das Strafmaß bei sexuellen Übergriffen gegen eine ‚widerstandsunfähige‘ Person geringer aus. Mit dem neuen Gesetz können solche Übergriffe gegen Frauen mit Behinderungen härter bestraft werden. Wir erwarten, dass zukünftig diese Taten konsequenter verfolgt werden und behinderte Frauen ernst genommen werden.

Gegenwehr

Kein Opfer von sexualisierter Gewalt ist für die Taten verantwortlich. Ein Täter kann sich nicht mehr damit herausreden, dass er nicht erkennen konnte, ob das Opfer einverstanden war, weil es sich nicht gewehrt hat. Bei einer Anzeige muss die Polizei/Staatsanwaltschaft diese Fälle bearbeiten und ggf. zur Anklage bringen.
Das bedeutet, dass eine Anzeige durch die neue Rechtslage weitaus mehr Aussicht auf eine Strafverfolgung hat, als in der Vergangenheit. Ermittlungsverfahren strafwürdiger sexueller Übergriffe können nun nicht allein aufgrund einer Lücke im Sexualstrafrecht eingestellt werden.

Sexuelle Selbstbestimmung

Jeder Mensch hat das Recht, selbst zu entscheiden mit wem sie/er sexuelle Kontakte hat. Dieses Rechtsgut erfährt mit der neuen Gesetzgebung einen höheren Stellenwert. Sie/er kann zu jedem Zeitpunkt ihren Willen äußern und auch eine bereits begonnene sexuelle Interaktion beenden oder unterbrechen. Setzt sich eine andere Person darüber hinweg, handelt es sich um einen Übergriff und kann strafrechtlich verfolgt werden. Wir finden, dass dieser Rechtsanspruch gesellschaftlich noch deutlicher vermittelt werden muss, das gilt selbstverständlich auch innerhalb von Familien, Beziehungen und am Arbeitsplatz.

Praxis

Betroffene / Opferzeug_innen die sexualisierte Gewalt erlebt haben, müssen sich leider auch zukünftig auf zähe polizeiliche Vernehmungen und entwürdigende Befragungen bei Gerichtsverfahren mit detaillierten Schilderungen des Tathergangs einstellen. Das neue Recht ändert nichts an der Ausgestaltung dieser Verfahren und an der verbreiteten Existenz von betroffenenfeindlichen Vorurteilen und Mythen über sexualisierte Gewalt. Auch die Beweislage wird schwierig bleiben, sodass nicht unbedingt mit einer höheren Quote an Verurteilungen zu rechnen ist.

Hilfe bei Anzeige und bei einem Prozess

seit dem 01.01. 2017 gibt es zusätzlich zu der Nebenklagevertretung durch eine Anwältin die Möglichkeit der Beiordnung einer Psychosozialen Prozessbegleitung.

Im Anschluss noch ein Hinweis auf das Informationspapier des BFF, das für unsere Publikation die Grundlage bildet. Hier finden Sie auch einige Fälle aus der Praxis.

Achtung: Alle Übergriffe, die vor dem 10.11.2016 verübt wurden, werden nach dem alten Gesetz behandelt, wenn sie zur Anzeige gebracht werden.